“Schauts mal, was ich in meiner Garage gefunden habe!” sprachs Martin und schiebt ein altes MTB in den Shop. “Cannondale Super V 1000. Baujahr 1996. 50 Millimeter “Federweg” und in was für einem Zustand.” Der Grinser sagt: “Das müsst ihr fahren!” Das Hirn sagt: “Ne, lass mal stecken.” Und natürlich sind wirs gefahren.
Old school cool
Das Cannondale Super V 1000 war 1996 ein Traum von einem Fahrrad.
Mountainbiken als Sport ist noch eine relativ junge Fahrraddisziplin, aber dafür eine, in der in den letzten Jahren unglaublich große Fortschritte gemacht wurden. Während man sich früher in Lycra und aus heutiger Sicht extrem hoher Sattelposition quasi ungebremst und ungefedert einen Berg hinuntergeworfen hat, sorgen heute fein einstellbare Federgabeln und Dämpfer und bissige hydraulische Scheibenbremsen für Sicherheit, Komfort und Geschwindigkeit. Während man früher aus heutiger Sicht konservative Hänge runtergefahren ist, schaffen es heute selbst Nichtprofis, durchaus anspruchsvolle Hänge runterzuballern.
Head Shok mit passendem Logo. Mjam.
Das Cannondale Super V 1000 wirkt aus heutiger Sicht wie ein Kuriosum. Die Federgabel und der Dämpfer hinten arbeiten zwar, aber nicht im Sinne einer heutigen Federung. Zu lange braucht die Gabel, um wieder aus der Versenkung aufzutauchen, der kurze Federweg ist schnell durchtaucht und die Fahrt wird schnell zum Ritt auf der Kanonenkugel. Dass der Sattel von seiner Position her auch gut auf ein Aero-Rennrad passen würde und der lange Vorbau noch dazu nach unten geflippt ist hilft bei der Balance am Bike nicht sonderlich. Früher hatte man womöglich größeres Vertrauen in die Technik bzw. in sich selbst.
Go fast. Wie auch sonst?
Aber: Wieviel bringt ein modernes MTB im Vergleich zu seinen Urvätern? Wir haben uns auf den Weg Richtung Weidlingbach gemacht, um genau diese Frage zu beantworten.
Dan The Man
Dan, fast in Originalmontur.
Damit das Super V auch würdig bewegt wird, haben wir Dan, einen guten Freund aus Australien, um Mitarbeit gebeten. Er war schon in den 90ern in MTB-Rennen unterwegs, unter anderem mit Cadel Evans, den man kennen könnte. Beim Anblick vom Cannondale-Klassiker hatte er sofort ein fettes Lächeln im Gesicht: “Das kenn ich noch von früher. Geiles Ding. Geiler Zustand.” Und ab auf die Strecke.
Pickt in der Kurve.
Als Vergleichsgeräte dienen ein 2018er Trigger 2 und das 2017er Jekyll, Carbon-MTB modernen Zuschnitts, mit 150+ mm Federweg vorne und hinten, versenkbarer Sattelstütze, komplett anderen Lenk- und Sitzwinkeln, kurzum: Andere Welten. Der Niveauunterschied zwischen Dan und meinem Können ist ungefähr so groß wie der zwischen den zwei MTB-Generationen, zumindest hoffe ich, dass er nicht größer ist. Mein Ego könnte katastrophelen Schaden davontragen.
Auf in die Lüfte.
Bergauf schieben wir die Böcke, das Super V ist nicht dafür gedacht, lange Strecken bergauf zu kurbeln. Es geht, aber naja, es geht. Und Dans Knie ist nicht in Idealzustand.
Oben in Weidlingbach angekommen fahren wir uns ein, Dan testet Bremsen und Federung, traut sich über die ersten Sprünge. Das Super V legt eine überraschend gute Performance hin, ist in den Anliegerkurven gut zu beherrschen und nimmt auch die Tables ohne allzu großen Murrens (gut, die Federung meldet sich zu Wort, aber das ist kein Wunder), einzig wenn es uneben wird merkt man, dass die Gabel nicht state of the art ist und dass die Bremsen auch nicht mehr ganz die Bremskraft und Modulation liefern, die man sich heute erwartet.
Old vs. new, Dude gegen Cycloclops
Genug gespielt, jetzt gehts ans Eingemachte. Die Fragen lauten:
- Wie groß ist der Unterschied zwischen den Fahrrädern?
- Kann ein modernes MTB einen Cycloclops schneller bergab bewegen, als ein 20 Jahre altes MTB einen Dude?
- Kann das Super V 1000 überhaupt einen Trail wie die Funline in Weidlingbach überleben?
Wir starten Strava, ich fahre mit dem Trigger voran, Dan hängt sich an meine Fersen. Am Anfang höre ich ihn noch aus den Kurven heraus jubeln, Sprünge quittiert er mit “Wohooo!”s. Ich lege mein gesamtes (nicht besonders großes) Talent in die Fahrt, kann aber nicht wirklich davonziehen. Erst nach ein paar Fahrsekunden wird es stiller. Das fühlt sich für mich gut an, weil ich höre, dass Dan konzentrierter zu Werke gehen muss, der Mittelteil der Funline ist ja doch ein wenig ruppiger. Es gelingt mir, einen Vorsprung herauszufahren, aber ich bleibe weiterhin konzentriert und muss ordentlich Gas geben. Gegen Ende des Trails holt Dan wieder auf und mich fast ein, aber zumindest zieht er nicht an mir vorbei.
Ein paar Erkenntnisse, ein Fazit
Für die Aero-Position braucht man bissl Mut.
Mit Dan und dem Super V im Rücken kann ich meine persönliche Bestzeit auf der Funline um fast 30 Sekunden verbessern. Angst oder Stolz treiben mich schneller herunter, als bisher. Wahrscheinlich war meine bisherige Bestzeit aber auch einfach schlecht.
Zwischen Dans Bestzeit auf einem modernen MTB und meiner Bestzeit liegen weiterhin knapp 30 Sekunden, seine Zeit ist nicht weit von den Topzeiten in Weidlingbach entfernt.
Wenn wir mit ähnlichen Fahrrädern unterwegs sind, habe ich keine Chance. Wenn er auf einem Oldie unterwegs ist, geht es sich für mich gerade noch aus.
Der Unterschied zwischen Alt und Neu ist riesig. Auch wenn das Super V hervorragend aussieht, ist es wahrscheinlich nicht empfehlenswert oder gesund, auf modernen Trails auf die Jagd nach Bestzeiten zu gehen. Auf der Fahrt zum Heurigen oder zum Angeben ist es hervorragend geeignet, für alles andere, vor allem für die Trails sollte man etwas Modernes suchen.
Zum Beispiel das Trigger oder das Jekyll, das man zur Zeit im Zuge der “Old vs. New” – Aktion günstiger kaufen kann.