Der erste Anblick eines Slates in freier Wildbahn hat etwas von einer Begegnung mit einem Dinosaurier aus Jurassic Park: Es ist ein Fahrrad, aber einzigartig, weil ein Mischung aus Vielem. Rennradgene hat es, aber auch Elemente vom Mountainbike sind darin versteckt, ein bisschen Crosser, aber vor allem: Riesig viel Spaß. Ein Fahrrad für Alles? Ich habe mich den Sommer über beinahe exklusiv auf das Slate gesetzt, um diese Frage zu beantworten.
Das Kennenlernen
Was macht das Slate einzigartig? Nun, vor allem natürlich die Lefty, in der Oliver-Ausführung. 30 Millimeter Federweg sorgen für Komfort und Kontrolle, wie es sich für eine Lefty gehört, sind Lenkpräzision und Fahrgefühl hervorragend. Wenn man auf Asphalt unterwegs ist, lässt sie sich selbstverständlich sperren, das ist vor allem im Wiegetritt bergauf praktisch.
Der Rahmen ist neu, sprich wurde speziell fürs Slate entwickelt. Er besteht aus Aluminium, Cannondale hat diesen Werkstoff im Griff, entsprechend hochwertig ist er verarbeitet. Optisch am Auffälligsten ist das stark nach unten gezogene Oberrohr, das ist im Gelände angenehm (wenn man mal absteigen muss), außerdem schaut so die (Carbon)Sattelstütze großzügig aus dem Rahmen und sorgt in Verbindung mit den SAVE-Kettenstreben für Komfort. Trotzdem ist das Rahmendreieck groß genug für zwei Flaschenhalter. Vorne und hinten haben breite Reifen Platz, aktuelle Standardware sind die Resolute von WTB in Größe 42. Ach ja, wo wir schon bei Größe sind: Die Laufräder sind im Format 650B, also kleiner, als bei einem Rennrad. Wenn man breite Schlapfen aufzieht, kommt man ungefähr auf das Außenmaß eines Rennradreifens, der Vorteil der kleineren Reifen ist die Wendigkeit und die Beschleunigung, durch das zusätzliche Luftvolumen im breiten Reifen ist man auch sehr komfortabel unterwegs. Aber ganz ehrlich: Auf die Reifengröße habe ich schnell vergessen.
Je nach Ausstattung bzw. Modell verrichtet entweder die Apex- oder Force-Gruppe ihren Dienst am Slate, ich war mit der besseren (und teureren) Force unterwegs. Das Slate ist kein Leichtgewicht, aber definitiv leichter als vergleichbare Hardtails, beispielsweise.
Wie fährt sichs?
Wie bereits erwähnt war ich im Sommer fast exklusiv mit dem Slate unterwegs. Das bedeutet bei mir vor allem viele Fahrten im Gelände, sowohl im Sinne des Cyclocross, als auch im Sinne des Mountainbikes. Außerdem auch Straße, einerseits, um zum lustigen Gelände zu kommen, andererseits wegen der, ähm, Grundlagenausdauer. Außerdem war das Slate mein einziges Rad im Urlaub, der mich unter anderem nach Kroatien, aber ach auf die Petzen, als eindeutig MTB-Gebiet geführt hat.
Und was soll ich sagen? Das Slate ist ein Spaßgerät. Die Resolutes bieten genug Grip im Gelände, sind aber trotzdem schnell genug auf Straßen. Die Position im Sattel ist komfortabel, nicht zu gestreckt, auch längere Fahrten machen keine Probleme. Das Heck ist sehr komfortabel und schluckt viele kleine und größere Schläge weg, und die Front mit der Lefty ist fantastisch. In Kroatien gibt es öfter mal Strecken mit grobem Schotter, die ich letztes Jahr mit einem Crosser gefahren bin, und mit dem Slate waren sie ein Genuss. Weil ich vorne gefedert unterwegs war, konnte ich wesentlich schneller fahren, ohne irgendwelche Schmerzen zu spüren, außerdem hatte ich mehr Kontrolle übers Geschehen. Ein tolles Gefühl.
Auf engen Wegerln, wie man sie beispielsweise in der Lobau oder im Prater findet, hat das Slate das Nachsehen gegenüber einem Race-Crosser, man merkt das Zusatzgewicht. Aber das soll nicht heißen, dass es ein lahmer Bock ist, ein SuperX oder Super Prestige sind halt einfach nochmal ein wenig spritziger. Dafür auch deutlich kompromissloser in Sachen Feedback von der Strecke, wie oft im Leben ist es ein Geben und ein Nehmen.
Der echte Härtetest war der Flow Trail auf der Petzen in Kärnten. Das ist ein herrlich zu fahrendes Stück Gelände, ein paar Kilometer bergab, je nach Geschwindigkeit kann es hier durchaus auch technisch anspruchsvoll werden, aber: Ein Fully braucht man auf dieser Strecke wahrscheinlich nicht, auch wenn es hilft. Wie würde sich das Slate schlagen?
Nun, zunächst einmal ist man deswegen langsamer unterwegs, weil man bei jedem Stopp ins Reden kommt. Das Slate ist, vor allem in dieser Umgebung, ein Hingucker und sorgt für Aufmerksamkeit. Überraschend viele kannten es schon, vielen war es neu, kurzes Fachsimpeln, kurzes Beantworten von Fragen wie “Und des kann was?” gehört zum Slate-Fahren dazu.
Aber davon abgesehen war ich überrascht: In den allerwenigsten Situationen dachte ich mir, dass mir jetzt ein MTB lieber wäre. Klar, ich war ein Stück langsamer unterwegs, als letztes Jahr mit dem Fully, die Sprünge wurden weggedrückt und bei 4, 5 Löchern kam die Lefty an die Grenzen ihres Federwegs, aber nichts, was zu gefährlichen Situationen geführt hätte. Vor allem hatte ich wirklich viel Spaß, auch, weil ich an einer Gruppe von Fully-Fahrern drangeblieben bin, die das mit “Und foahn tuat er a wia a gsengte Sau!” kommentiert haben.
Für wen ist das Slate?
Um zum Titel dieses Artikels zurückzukommen: Das Slate ist kein günstiges Fahrrad, man könnte es durchaus als Luxus bezeichnen. Dafür bekommt man eine Menge Fahrrad. Es funktioniert hervorragend auf der Straße, es schlägt sich sehr gut im Gelände, es ist robust und zuverlässig aufgebaut und auch noch komfortabel. Es ist in keiner Disziplin am ersten Platz, aber deckt dafür einen irrsinnig breiten Einsatzbereich ab.
Vielleicht ist das Slate vor allem deswegen (k)ein Luxusgut, weil es als Fahrrad einen sehr angenehmen Effekt mit sich bringt: Wenn man sich im Vorfeld einer Ausfahrt keine Gedanken über die Route machen möchte, wenn man nicht weiß, worauf man gerade Lust hat, setzt man sich aufs Slate und fährt. Der Genuss kommt von allein.
Das Slate gibt es bei uns in Force und Apex-Ausstattung und steht jederzeit für eine Testfahrt bereit.